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Channel: Medien – Daniel Bröckerhoff
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Ey Bröckerhoff, bist Du privat oder beruflich hier?

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“Bist Du eigentlich privat oder beruflich da?” fragte mich unlängst jemand auf Twitter, als ich dort gerade live von einer #lampedusahh-Demo berichtete. Ich mußte überlegen. Ich wußte es nicht. Und das Problem hatte ich im Netz schon öfter.

Mein letzter Artikel zur Frage “Publizieren oder Prüfen?” hat für angenehm viel Diskussionen gesorgt. Die Meinungen gingen dabei auseinander: Von “Alter, das geht gar nicht” bis hin zu “Mach nicht so einen Wind, ist doch nichts passiert.”

 

Wer bin ich hier eigentlich?

Die Wahrheit liegt wie so oft wahrscheinlich in der Mitte. Aber sie hat in meinen Augen viel mit einem anderen Problem zu tun: Bewege ich mich im Netz immer als freier Journalist oder gibt es auch die Privatperson Daniel Bröckerhoff?

Die Frage ist mir deswegen wichtig, weil es unterschiedliche Erwartungshaltungen an die Personen gibt. Der freie Journalist muss sich mit den Maßstäben messen lassen, die für einen Journalisten gelten. Die Privatperson kann sich im Rahmen des rechtlich Legalen austoben und muss nicht so sehr auf Quellencheck, Ausdruck und Relevanz achten.

Mein heutiger Arbeitsplatz : Mein Küchentisch. Ist der jetzt privat oder beruflich?

Mein heutiger Arbeitsplatz : Mein Küchentisch. Ist der jetzt privat oder beruflich?

Einer Privatperson verzeiht man, wenn sie einen gefakten Tweet von Paris Hilton weiterreicht. Einem Journalisten sollte das möglichst nicht passieren.

 

Welche Erwartungen werden gestellt?

Ich bewege mich allerdings sehr viel im Netz, nutze es privat wie beruflich und kann als Freiberufler nur sehr schwer sagen kann, wann ich arbeite und wann ich privat unterwegs bin.

Denn:

  • Ich habe keinen festen Arbeitsplatz wie Festangestellte, der “Freizeit” und “Beruf” örtlich und zeitlich definieren könnte.
  • Ich habe meine Interessen zum Beruf gemacht, kann also oft gar nicht sagen, ob ich einen Artikel lese, ein Video schaue oder einen Beitrag höre, weil ich ihn beruflich brauche oder rein privat interessant finde.
  • Ich unterhalte mich im Netz mit Freunden und Bekannten, mit völlig Unbekannten, mit Followern und Kollegen, die manchmal eine Mischung aus allem sind. Manches hat privaten Charakter, manches beruflichen, oft verschwimmen aber auch hier die Grenzen.

 

Halb bekannt, halb Nobody

Das Problem würde sich mir persönlich gar nicht stellen, wenn ich mehr in der Öffentlichkeit stehen würde und jedes meiner Worte auf die Goldwaage gelegt werden könnte. Dann würde sich die Privatperson online verschleiern und zurückhalten, wie es bei vielen Kollegen der Fall ist, die mehr vor der Kamera stehen als ich, um negative Konsequenzen zu vermeiden.

Ich bin aber halb bekannt und halb nobody. Mit gut 5.700 Twitter-Followern und über 1.500 Facebook-Kontakten hab ich eine gewisse Reichweite, die sich aber nicht mit einem Lobo oder Gutjahr messen kann. Als OnAir-Reporter einer Einsplus-Sendung stehe ich vor der Kamera, allerdings bei einem Sender, den fast niemand kennt.

Muss man sich dran gewöhnen: Auch ein vermeintlich privates Vier-Augen-Gespräch kann im Netz öffentlich sein (Quelle: starmanseries auf flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

Muss man sich dran gewöhnen: Auch ein vermeintlich privates Vier-Augen-Gespräch kann im Netz öffentlich sein (Quelle: starmanseries auf flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

Helfen Disclaimer?

Doch auch für Journalisten, die nicht so sehr in die Öffentlichkeit drängen, stellt sich in meinen Augen die Frage, ob sie sich beruflich oder privat im Netz bewegen. Viele behelfen sich mit Disclaimern wie “Tweets sind meine Privatmeinung”, um sich vor Ärger mit Auftraggebern oder der Redaktion zu schützen.

Andere, vor allem Ältere, ziehen eine klare Grenze und äußern sich im Netz ausschließlich als berufliche Person. Andere haben einen zweiten Account (sogenannte “Rage-Accounts), auf denen sie sich anonym äußern.

Ich glaube nicht, dass das die richtige Lösung ist.

Ich halte es zwar  mit der Losung “Äußere Dich im Netz immer so, wie Du es auch als Zitat in der Zeitung lesen wollen würdest.” und plädiere für Freundlichkeit, Sachlichkeit und Ausgewogenheit im Umgang miteinander. Aber nichtsdestotrotz möchte ich auch einfach mal mein loses Mundwerk online stellen können, ohne dass es mir zum Verhängnis wird.

Ich will online diskutieren. Nicht nur als Journalist. (Quelle: anthony kelly auf flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

Ich will online diskutieren. Nicht nur als Journalist. (Quelle: anthony kelly auf flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

 

Als Mensch wahrgenommen werden

Denn nur so kann ich im Netz auch als Mensch wahrgenommen werden, der eine Meinung hat, diese verteidigt, sich irrt, revidiert. Der schlechte oder gute Laune hat, Sachen doof findet oder toll, der sich aufregt oder beschwichtigt, der albern ist oder ernst.

Das ist die Chance, die uns das Netz bietet: Aus den gesellschaftlichen Rollen ausbrechen. Nicht nur der “seriöse Journalist” sein, der verläßlich einordnet und recherchiert, sondern auch der Familienvater, der Freund und Kumpel, der Clown, der Mahner, der Depressive, der Fanboy oder der Hater.

Meine Hoffnung dabei: Mehr Verständnis füreinander – und mehr Transparenz und Einsicht. Oder ist das zu naiv?

tldr
Ich möchte mich nicht enscheiden müssen, ob ich privat oder beruflich im Netz unterwegs bin, da ich das gar nicht trennen kann und will.

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