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Channel: Medien – Daniel Bröckerhoff
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Di Lorenzo-Doppelwahl: Gezielte Provokation oder Unwissen?

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Dass Giovanni di Lorenzo – Chefredakteur der Zeit – am Sonntag bei der EU-Wahl doppelt abgestimmt hat, hat er noch am Wahlabend großmütig bei Günther Jauch zugegeben (siehe Video oben). Seitdem wird er mit Spott überzogen: Sollte ein gebildeter Mensch wie er nicht wissen oder zumindest ahnen, dass das gegen das EU-Wahlrecht §2 (1) verstößt? Es könnte aber noch eine andere Erklärung geben.

Martin D Wind hat in einer Facebook-Diskussion bei Mirko Lange über eben jenen Läster-Reflex einen Artikel aus di Lorenzos eigenem Haus gepostet. Darin heißt es:

Was passiert allerdings wenn ein übereifriger Wähler sich diese Botschaft allzu sehr zu Herzen nimmt und dabei gleich zweimal seine Stimme abgibt? Zwar steht in der Wahlbenachrichtigung ausdrücklich drin: Jeder Wähler darf ein und nur ein Mal wählen.

Wer zwei Mal wählt, kann nach Paragraf 107 des Strafgesetzbuches wegen Wahlfälschung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Doch überprüft auch jemand, ob ein Wähler mit doppelter Staatsangehörigkeit – sei es aus Versehen oder willentlich – am Wochenende zwei Wahllokale besucht?

(…) Weder die italienischen noch die polnischen Behörden müssen die Wähler jedoch nach weiteren Staatsangehörigkeiten fragen. Ein Wählerverzeichnis wird zwar von beiden Botschaften geführt. Die zuständigen Botschaftsbeauftragten beider Länder teilten auf Anfrage von ZEIT ONLINE allerdings mit, dass diese Verzeichnisse grundsätzlich nicht an die deutschen Behörden weitergeleitet würden.

Herr Wind vermutet hier eine gezielte Provokation Seitens di Lorenzos, vielleicht um auf diesen Mißstand hinzuweisen und eine gesellschaftliche Debatte loszutreten. Schließlich endet der Artikel mit den Worten:

Dennoch ist diese Lücke im EU-Wahlsystem ein weiterer Beleg für das “Demokratiedefizit” der Europäischen Union. Der Weg zu einer vollständigen EU-Staatsbürgerschaft ist noch lang.

Diese Diskussion könnte aber auch nach hinten losgehen und das Projekt “Doppelte Staatsbürgerschaft” nachhaltig schädigen, statt dazu beizutragen, dass das EU-Wahlsystem angeglichen wird.

Vielleicht liest Herr di Lorenzo aber auch einfach nicht alle Artikel, die in seinem Haus publiziert werden und es handelt sich hier nur um einen bemerkenswerten Zufall. Ich habe eine Mail an die Pressestelle des Verlags geschrieben, um diese Fragen zu klären und bin gespannt auf die Antwort.

//Update 14:22 Uhr//

Gerade kam die Antwort aus der Pressestelle:

“Sicherlich haben Sie das Statement von Giovanni di Lorenzo schon gelesen:

Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt. Mir tut das aufrichtig leid.

Damit müssten Ihre Fragen beantwortet sein. Tatsächlich gibt es keine weiteren Hintergründe oder Vorsätze zu enthüllen.”

Also pures Unwissen, auch wenn es schwer fällt, das zu glauben. Journalisten – auch Chefredakteure – sind eben auch nur Menschen.


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