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Channel: Medien – Daniel Bröckerhoff
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Wir müssen über Flirts mit Fakes im Internet reden

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Dass das Internet ein anonymer Raum ist, ist eine gute Sache. So können sich Menschen, die ihre Meinung frei äußern wollen, vor Repressionen schützen. Dass das Internet ein anonymer Raum ist, ist eine schlechte Sache. Denn so können sich Menschen als jemand ausgeben, der sie nicht sind. Und ganze Leben ins Wanken bringen.

Wie so vieles hat auch diese Sache Internet zwei Seiten. Und je nachdem, welche man sich anschaut ist alles rosarot-glitzer-ohgott-ist-das-toll oder deprimierend-warum-hat-jemand-so-etwas-schreckliches-erfunden-tiefschwarz.

Die Geschichte, die Victoria erlebt hat, ist eine von den eher Tiefschwarzen. Denn Victoria war über ein Jahr in einen Mann verliebt, den sie nie getroffen hatte. Und der gar kein Mann war.

Briefe von

Briefe an Victoria von “Kai”, wie sie sich nannte. (Copyright: Victoria)

Wer ist Kai?

Das stellte sich aber erst viel viel später raus. Als Victoria längst klar war: Hier stimmt etwas nicht. So überhaupt gar nicht.

Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Ein Weg voller Geschenke, Karten und Briefe. Voller Gespräche, Liebesbekundungen, Fotos und stundenlanger Skype-Gespräche. “Kai”, so nannte sich die Frau, hatte es geschafft, tief ins Leben von Victoria zu tauchen und dort einen wichtigen Platz einzunehmen.

Dabei ist Victoria nicht naiv. Kein dummes Opfer, das verzweifelt auf einen Mann wartet, der ihr Liebe gibt. Im Gegenteil. Victoria ist tough, selbstbewusst, hat eine große Klappe und dahinter ein ebenso großes Herz. Eine Frau, die einem Mann eher auffällt, als dass er ihr keine Beachtung schenkt.

Ich meine, das sagen zu können, weil ich Victoria kenne. Nicht wie-meine-allerbeste-Freundin-kenne, aber wir saßen schon mehrfach länger an einem Tisch und haben uns eingehend unterhalten. Damals ging es am Rande auch immer wieder um “Kai” und seine merkwürdigen Spielchen.

Die ganze Geschichte um “Kai” kann Victoria besser selber erzählen, was sie bereits vor vier Monaten auf ihrem Blog getan hat. Seitdem sah sie sich einer steigenden Internet-Bekanntheit ausgesetzt, im Guten und im Schlechten. (Aus letzterem Grund sind unter diesem Post auch die Kommentare deaktiviert.)

Fake-Flirts: Ein Tabu-Thema

Sie war eine der Ersten, die in Deutschland auf ein Thema aufmerksam gemacht hat, mit dem es viele schon zu tun hatten, ohne darüber reden zu wollen. Denn irgendwie ist das Thema “Online-Flirt” immer noch mit dem Klischee des verzweifelten Nerds behaftet, der im echten Leben niemanden abbekommt. Und leicht schmierig ist es sowieso.

Wenn dann noch rauskommt, dass man mit einen Fake geflirtet hat, ist das peinliche Fiasko perfekt. Keiner spricht gern darüber. Dabei sollte man das tun. Dass Victoria nicht die Einzige ist, zeigen Artikel wie dieser, die derzeit erscheinen.

Wir müssen dieses Tabu brechen. Daher hier mein Geständnis: Auch ich bin schon einmal während einer unschönen Lebensphase auf einen Fake hereingefallen. Aber “mein” Fake war nicht so geschickt wie “Kai”, so dass ich schnell mißtrauisch wurde und außer Zeit nichts verloren habe.

Victoria jedoch hat zeitweise etwas sehr Wichtiges verloren: ihr Herz. Weil ein Mensch meinte, mit ihr spielen zu dürfen.

Eine Psychologin. Ausgerechnet.

Wie es weiterging, nachdem Victoria den “Kai”-Fake öffentlich machte, hat sie gestern hier aufgeschrieben. Darin schreibt sie auch, wie rausgekommen ist, dass “Kai” in Wirklichkeit eine Psychologin in den USA ist.

Eine Psychologin, die über Monate eine komplette Parallelwelt aus verschiedenen Online-Identitäten erschaffen hatte. Um Victoria zu manipulieren. Eine Psychologin. Ausgerechnet.

Victorias neue Seite: realfakes.net

Victorias neue Seite: realfakes.net

Victoria hat in meinen Augen das einzig Richtige getan und eine eigene Seite für das Problem online gestellt: Auf realfakes.net beschäftigt sie sich mit dem Thema, zu dem sie unfreiwillig zur Expertin geworden ist. Derzeit enstehen wohl mehrere Reportagen dazu.

Victoria wird zu Tun haben in nächster Zeit. Es besteht Aufklärungsbedarf.


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